Montag, 31. Mai 2010 – Von St-Gengoux-le-National nach Cluny (23 km)
Nach einem eher kargen Frühstück machen wir uns auf dem Weg. Der Himmel ist noch bedeckt - mal sehen, was d‘raus wird. Wir gehen nicht den Voie verte, auf dem wir zwar schneller am Ziel wären, der aber nur in der flachen Ebene verläuft und daher bei weitem nicht so viel Interessantes zu bieten hat wie der Jakobsweg bzw. der GR 76, den wir gestern noch - wegen des Wetters - gemieden haben.
Es dauert nur wenige Minuten und wir sind am Chemin de moulin de foulot, dem Mühlenweg, wo uns wieder die Zikaden mit einem Morgen- konzert begrüßen. Die Landschaft heute ist vielfältig geprägt durch Viehweiden, idyllische Bachläufe und Kornfelder - Weinberge sind eher selten. Vorwiegend Charolais-Rinder sehen wir, daneben aber auch Schafe, Pferde und Esel, die sich auf den mit kräftig frischem Grün bewachsenen Wiesen satt fressen.
Bedingt durch das wettermäßige Tief haben wir heute in den Höhenlagen herrliche Weitsichten bis in die westlichen Ausläufer des Jura-Gebirges. Zwischendurch versucht die Sonne sich immer wieder mal in den Vordergrund zu schieben mit Anfangs weniger, aber später mehr Erfolg.
Seit unserem Abmarsch vom Hotel treffen wir erst nach 6 km auf Häuser bzw. eine kleine Ansammlung von Gehöften: Les Chaumes. Es ist 11 Uhr und wir laufen noch eine halbe Stunde weiter. Unsere Pause machen wir in Saint-Hyppolite. Der Ort ist zwar nicht viel größer als Les Chaumes, hat aber dafür kulturhistorisch etwas zu bieten: Eine imposante Ruine der ehemaligen Kirche von St-Hyppolite zeugt von einer Periode, in der dieses kleine Dorf eine Schlüsselrolle im grundherrschaftlichen System der Abtei von Cluny spielte - und zwar vom 10. bis 14. Jahrhundert.
Es geht nun leicht abwärts und wir unterqueren die TGV-Trasse Paris - Lyon. Alle 10 bis 15 Minuten rauschen hier die Hochgeschwindigkeits- züge vorbei. Dann treffen wir auf einen etwas größeren Ort: Cortevaix. Ab hier etwa über eine Strecke von 2 Kilometer bis Mont entdecken wir zwischen den Wiesen auch wieder mal ein paar kleinere Weinfelder.
Im anschließenden Flagy entscheiden wir uns, nicht den Berg steil hochzugehen und oberhalb am Waldrand zu laufen, sondern geradeaus unten im Tal zu bleiben. Es ist schwül-warm geworden, trotz oder wegen des bedeckten Himmels. Nur gemächlich müssen wir hier bergan gehen und nach drei Kilometer treffen wir auf einer Höhe von 361 m wieder auf den Wander– bzw. Jakobsweg.
Bei Colonges verlässt der Jakobsweg für kurze Zeit den GR 76. Wir laufen also nicht durch Lournand, was einen - offenbar nicht lohnenden - Umweg von einem Kilometer bedeutet hätte. Anschließend ist es nicht mehr weit bis zu unserem Tagesziel: Nur noch drei Kilometer trennt uns bis zum Zentrum von Cluny.
Am Nordeingang von Cluny kommt uns ein Arbeitsfahrzeug der Gemeinde entgegen. An der rechten Seite des Fahrzeugs sind Sensen in Betrieb, die die ausufernden Gräser am Wegesrand stutzen. Wir bleiben am Rand stehen und lassen das Fahrzeug an uns vorbei. Da fliegen uns auf einmal nicht nur die Gräser ins Gesicht, sondern auch Steine werden mit aufgewirbelt. Ein kleiner Stein wird mir ins Gesicht geschleudert. Gott sei Dank wurde nur der Jochbeinknochen am linken Auge getroffen. Es blutet nur minimal. Das Auge selbst ist unverletzt. Normalerweise hätte der Fahrer die Sense deaktivieren müssen, wenn er entgegenkommende Personen sieht. Aber wir haben ja noch mal Glück gehabt. Künftig werden wir besser aufpassen und versuchen, solche Risiken zu vermeiden.
In Cluny finden wir am Weg liegend in der Rue de la République ein Chambre d‘Hôtes in einem Anwesen aus dem 18. Jahrhundert. Wir haben nicht reserviert. Eine ältere Dame öffnet die Tür - sie macht einen verschlafenen Eindruck. Offenbar haben wir sie bei der Siesta gestört. Doch es ist noch ein Zimmer frei - und was für eines. Zwar haben wir keinen Fernseher, dafür aber ein Ambiente im Stil von Louis Seize, dem französischen König Ludwig XVI, der 10 Jahre nach dem Bau dieses Hauses sein Leben auf der Guillotine lassen musste.
Und kurze Zeit später wurde die Abtei Cluny von den Revolutionsgarden aufgelöst, zerstört bzw. abgerissen. Nur noch wenige Überreste, wie das östliche Querhaus mit dem Glockenturm, sind noch erhalten.
Aber beeindruckend ist das Stadtbild auch heute noch, besonders wenn man auf dem Grundriss der ehemaligen Abteikirche steht, auf dem sich noch die ursprüngliche Größe der Benediktinerabtei erahnen lässt. |
Tour 6 - Etappe 5 |
Zu den Notizen der Etappen: |